Digitale Bildung?

Wer den Begriff der „digitalen Bildung“ benutzt, sollte besser Peter Bieris Aufsatz „Wie wäre es, gebildet zu sein?“ lesen, bevor er oder sie weiter mit dieser Phrase argumentiert. Es würde jeder und jedem Verständigen nach dieser Lektüre sofort deutlich, dass schon begrifflich nicht funktioniert, was mit diesem Terminus intendiert wird.

Bildung ist etwas, das Menschen mit sich und für sich machen: Man bildet sich. Ausbilden können uns andere, bilden kann sich jeder nur selbst. Das ist kein blosses Wortspiel. Sich zu bilden, ist tatsächlich etwas ganz anderes, als ausgebildet zu werden. Eine Ausbildung durchlaufen wir mit dem Ziel, etwas zu können. Wenn wir uns dagegen bilden, arbeiten wir daran, etwas zu werden – wir streben danach, auf eine bestimmte Art und Weise in der Welt zu sein. Wie kann man sie beschreiben?

In seiner Festrede am 4. November 2005 deklinierte Bieri Bildung als Weltorientierung, Aufklärung, historisches Bewusstsein, Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung, als moralische Sensibilität, Bildung und poetische Erfahrung, um sich abschließend leidenschaftlich für Bildung einzusetzen:

Der Gebildete ist an seinen heftigen Reaktionen auf alles zu erkennen, was Bildung verhindert. Die Reaktionen sind heftig, denn es geht um alles: um Orientierung, Aufklärung und Selbsterkenntnis, um Phantasie, Selbstbestimmung und moralische Sensibilität, um Kunst und Glück. Gegenüber absichtlich errichteten Hindernissen und zynischer Vernachlässigung kann es keine Nachsicht geben und keine Gelassenheit.

Peter Bieri: Wie wäre es, gebildet zu sein?