futur iii – Forschungsbericht Sommer 2017

Digitaltechnik zwischen Freiheitsversprechen und Totalüberwachung

Das Thema des Forschungsprojekts ist Digitaltechnik im Spannungsfeld von Freiheitsversprechen und Totalüberwachung. Das Projekt „futur iii“ ist nicht nur der Name, sondern zugleich das Logo und die URL für Publikationen.

Dieses Projekt wird im intensiven Dialog und z.T. in Kooperationen mit Kolleginnen und Kollegen verschiedener Hochschulen und Bildungseinrichtungen realisiert. Das übergreifende Thema ist bereits seit dem letzten Forschungssemester 2010 die Veränderung des Web durch Kommerzialisierung und Monopolisierung sowie die kritisch-reflektierende Auseinandersetzung mit Digitaltechnik bzw. Geräten und Diensten unter besonderer Berücksichtigung der konkreten Technikfolgeabschätzung (TA) für den Einsatz digitaler Bildschirmmedien und -dienste im Kontext von Lehre und Lernen.

Drei Thesen als Denkanstoß (und ein Paradox)

Um einen Ansatz gegen den Mainstream der Digitaleuphorie zu formulieren und eine Gegenposition zur Digitaleuphorie auf ihre Tragfähigkeit zu testen, habe ich als Ausgangspunkt des Forschungssemesters wie der Publikationen drei bewusst kontroverse Thesen formuliert:

  1. Digitaltechnik, wie sie derzeit aus dem Silicon Valley kommt, ist Technik der Gegenaufklärung. Es werden immense Daten ohne (EU-taugliche) Rechtsgrundlage erhoben und nach (für die User) nicht bekannten Kriterien ausgewertet. Mit den Modellen der Kybernetik und den Methoden von Big Data Analysis bzw. Data Sciences (Stichworte: Deep Learning, sogenannte „künstliche Intelligenz“) werden immer komplexere, intransparente Systeme für alle Lebensbereiche geschaffen. Das Ziel ist, sowohl ganze Gesellschaften zu steuern (Stichwort Governance) wie jeden einzelnen Menschen (Stichwort Nudging; synthetische Computerstimmen als Personal Coach). Der Mensch soll tun, was die Systeme ihm sagen. Das ist weder demokratisch noch human und widerspricht dem Bildungsauftrag von Schulen.
  2. Lernen lässt sich nicht automatisieren. Lernen ist ein individueller und sozialer Prozess. Am Computer lässt sich allenfalls Bestandswissen vermitteln und prüfen. Es sind, wissenschaftlich belegt, technische Systeme für Lernbulimie.(Hoch-)Schulen müssen stattdessen vermitteln, was technische Systeme nie leisten werden: selbständiges und selbstbestimmtes Denken, kreatives Handeln, Empathie, Verantwortung. Nur im sozialen Miteinander können Menschen diese Fähigkeiten entfalten.
  3. Wir müssen IT neu denken. Die derzeit eingesetzten Systeme sind nicht zukunftsfähig. Zugrunde liegen Konzepte aus dem 20. Jahrhundert für Aufgaben des 21. Jahrhunderts. Statt Zentralisierung von immer mehr Daten in homogenen technischen Strukturen, die letztlich dem Mainframe-Konzept der 1960er Jahre folgen (auch wenn es heute Cloud Computing heißt), müssen wir dezentrale, auch technisch diversifizierte Systeme aufbauen – und datensparsam werden. Zentralisierte Technikstrukturen sind eben auch zentral zu hacken.

Dazu kommt ein Paradox des automatisierten „Lernens“. Auf Englisch heiß es:

„All you can learn with a machine to do your job, also a machine can learn to do your job.“

auf deutsch: Alles was sie am Rechner und mit Software lernen, um ihren Job zu machen kann auch ein Rechner „lernen“, um Ihren Job zu machen. Wir müssen umdenken, heisst das, nicht nur bei der Technik, sondern auch bei deren Einsatz im Unterricht. IT muss in allen Lebenssituationen wieder zum Werkzeug des Menschen werden statt ihn aus der Cloud heraus algorithmisch berechnet zu steuern. Autonomie statt algorithmisch berechnete Entmündigung und mediale Sedierung sind das Ziel. Entscheidungsfreiheit statt Lethargie. Das ist anstrengend, nicht bequem. Aber nur so erhalten wir unsere individuelle Freiheit und Demokratie.

Der ganze Bericht als PDF: Lankau Bericht 20170