Die Rhetorik der Gewalt zwischen Circus und Computerspiel

Bildpädagogik im Lateinunterricht

Von Jochen Krautz, in: Bering, Kunibert/ Niehoff, Rolf (Hrsg.): Vom Bilde aus… Beiträge des Faches Kunst für andere Fächer, Oberhausen (Athena) 2007, S. 177-205

Medienpädagogik als Aufgabe der Schule

Wenn Medienpädagogik Aufgabe von Schule sein soll, muss sie sich mit dem Problem von medialen Gewaltdarstellungen und ihren Wirkungen an zentraler Stelle befassen. Denn das Beispiel zeigt, dass und wie dieses Problem allen normativen Orientierungen schulischer Erziehungsarbeit zuwiderläuft, der die Ablehnung von Gewalt und Krieg als Mittel zwischenmenschlicher Auseinandersetzung sowie deren Prävention als Erziehungsauftrag zugrunde liegt. So formuliert etwa die Verfassung von Nordrhein-Westfalen in Artikel 7: „vornehmstes Ziel der Erziehung“ ist, „Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zu sozialem Handeln“ zu wecken“, sowie die Jugend „im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit“ und in Liebe „zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung“ zu erziehen. Die bildhafte Rhetorik der Gewalt will dagegen von einer zur Norm gerinnenden Normalität von Gewalt als zwischenmenschlicher Handlungsform überzeugen.

Daran, dass mediale Gewaltdarstellungen wesentliche Anteile des Medienkonsums von Schülern ausmachen und nicht ohne Wirkungen auf das Subjekt bleiben, lässt die Medienwirkungsforschung inzwischen keinen Zweifel mehr (Spitzer 2006; Amerik. Akademie d. Kinderärzte 2001). Die belegten Korrelationen zwischen medialem Gewaltkonsum und aggressivem Verhalten sowie Desensibilisierung gegenüber Gewalt sind so hoch, dass bei solchen Gefahren in anderen Bereichen längst umfangreiche Präventions- und Aufklärungskampagnen auch an den Schulen gestartet wurden. So ist etwa der „Zusammenhang zwischen Kondombenutzung zur Verhinderung der Ansteckung mit dem AIDS-verursachenden Virus (HIV) (…) etwa ebenso groß“, wie die Gefahr der Steigerung von aggressiven Gedanken, aggressiven Gefühlen und aggressivem Verhalten durch gewalthaltige Computerspiele (Spitzer 2006, 224). Dass große Teile der deutschen Medienpädagogik diese Fakten sowie den beschriebenen Erziehungsauftrag beständig zu relativieren sucht oder schlicht ignoriert, befremdet allerdings. So empfiehlt etwa der Medienpädagoge Aufenanger, das Thema „Medien und Gewalt“ „vorerst“ nicht zu „dramatisieren“ (Aufenanger 2004, 30). Stattdessen rät er Pädagogen mit den Worten eines amerikanischen Autors:

„’Entspannen Sie sich doch bitte! Unseren Kindern geht es gut. Sie lernen, entwickeln sich und gedeihen in der digitalen Welt.’ Dies sollten wir auch in der Schule ernst nehmen und entsprechend fördern und anerkennen!“ (Aufenanger 1999, 21)

Wie dies mit einer vom selben Autor an anderer Stelle geforderten „Medienbildung“ vereinbar sein soll, die Medien auch „unter ethischen Aspekten betrachtet und beurteilt“ und dabei die Menschenrechte als Maßstab heranzieht, bleibt völlig unklar (Aufenanger 2000, 91). Auch eine „akzeptanzorientierte“ Medienpädagogik, die Computerspiele vor allem als „Lernanreize für die Persönlichkeitsentwicklung“ deutet (Fritz/Fehr 1999), um im Sinne einer selbst höchst spekulativen konstruktivistischen Pädagogik (Neumann 2006) „Identitätsarbeit“ zu ermöglichen, ist im Kontext der Gewaltbilder nicht vertretbar.

Der ganze Beitrag als PDF: Krautz: Rhetorik der Gewalt