Hilfeschrei der Wissenschaft gegen systematischen Betrug durch KI

Stockholmer Erklärung: Reform des wissenschaftlichen Publizierens

Von Bernhard Sabel und Dan Larhammar. Veröffentlicht: 05. November 2025 (https://doi.org/10.1098/rsos.251805)

Immer mehr KI-generierte Bücher, Podcasts, Websites und Videos verändern die Wahrnehmung der User und den öffentlichen Diskurs. Auch die Wissenschaft wird durch Hunderttausende von gefälschten Studien in ihrem Kern – der Suche nach validen, beleg- und prüfbaren Aussagen – korrumpiert, wissenschaftliche Publikationen in Gänze diskreditiert.

Mit der Stockholm Declaration versucht eine Gruppe von Forschern nun, den organisierten Wissenschaftsbetrug zu stoppen und die Hoheit über das Publikationswesen aus den Händen profitorienterter Verlage zurück in die Hoheit der Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen zu holen.

Denn Profistreben und das für jede Wissenschaft kontraproduktive „publish or perish“ (nicht die Qualität, sondern die Anzahl von Publikationen bestimmt über Karrieren) hat zu einem Geschäftsmodell als organisiertem Betrug geführt, bei dem „wissenschaftliche“ Veröffentlichungen auf Bestellung gefälscht und in wissenschaftlichen Journalen und Zeitschriften platziert werden. Waren es bislang Lohnschreiber, sind es jetzt KI-Tools, die noch schneller Unmengen von Texten produzieren und alleine durch die Quantifizierung (und immer mehr Online-Pseudo-Zeitschriften) jede Qualitätskontrolle unterlaufen.

Das ist die Maxime von Steve Bannons „flood the zone with shit“, angewendet auf das akademische Publizieren, um wissenschaftliche Publikationen generell zu entwerten.


Reform des wissenschaftlichen Publizierens: die Stockholmer Erklärung

Von Bernhard Sabel und Dan Larhammar
Veröffentlicht: 05. November 2025 – https://doi.org/10.1098/rsos.251805

Zusammenfassung

Wissenschaft basiert auf Integrität und Vertrauenswürdigkeit. Wissenschaftler, die unter Karrieredruck stehen, lassen sich jedoch dazu verleiten, gefälschte Publikationen von „Publikationsfabriken“ zu kaufen, die mit KI generierte Daten, Texte und Bilder verwenden. Die Zahl der minderwertigen oder betrügerischen Publikationen steigt auf Hunderttausende pro Jahr, was – wenn es nicht eingedämmt wird – den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt unserer Gesellschaften beeinträchtigen wird. Die Folge sind Ermüdungserscheinungen bei Herausgebern und Gutachtern, nicht reproduzierbare Experimente, fehlgeleitete Experimente, Desinformation und eskalierende Kosten, die die für die Forschung bestimmten Steuergelder verschlingen. Es ist höchste Zeit, die aktuellen Publikationsmodelle zu überdenken und einen globalen Plan zu entwerfen, um diese ungesunde Entwicklung zu stoppen.

Daher wurde von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften eine Konferenz organisiert, um einen Aktionsplan mit konkreten Empfehlungen zu erstellen, die wie folgt lauten.

(i) Die Wissenschaft sollte die Kontrolle über das Publizieren mithilfe von gemeinnützigen Publikationsmodellen (z. B. Diamond Open Access) wieder übernehmen.

(ii) Die Anreizsysteme sollten so angepasst werden, dass sie Qualität statt Quantität belohnen, da in einer Reputationsökonomie, in der die Manipulation von Publikationszahlen und Zitiermetriken die Wahrnehmung akademischer Exzellenz verzerrt, dies notwendig ist.

(iii) Es sollten Mechanismen zur Verhinderung und Aufdeckung gefälschter Publikationen und Betrugsfälle eingeführt werden, die unabhängig von Verlagen sind.

(iv) Es sollten Gesetze, Vorschriften und Richtlinien ausgearbeitet und umgesetzt werden, um die Qualität und Integrität von Veröffentlichungen zu verbessern.

Dies ist ein Aufruf zum Handeln an Universitäten, Akademien, Wissenschaftsorganisationen und Geldgeber, sich zusammenzuschließen und sich dieser Initiative anzuschließen.

Link:
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsos.251805#d12867110e1


Reformation of science publishing: the Stockholm Declaration

Bernhard Sabel and Dan Larhammar

Published:05 November 2025- https://doi.org/10.1098/rsos.251805

Abstract

Science relies on integrity and trustworthiness. But scientists under career pressure are lured to purchase fake publications from ‘paper mills’ that use AI-generated data, text and image fabrication. The number of low-quality or fraudulent publications is rising to hundreds of thousands per year, which—if unchecked—will damage the scientific and economic progress of our societies. The result is editor and reviewer fatigue, irreproducible experiments, misguided experiments, disinformation and escalating costs that devour funding from taxpayers intended for research. It is high time to reevaluate current publishing models and outline a global plan to stop this unhealthy development.

A conference was therefore organized by the Royal Swedish Academy of Sciences to draft an action plan with specific recommendations, as follows.

(i) Academia should resume control of publishing using non-profit publishing models (e.g. diamond open-access).

(ii) Adjust incentive systems to merit quality, not quantity, in a reputation economy where the gaming of publication numbers and citation metrics distorts the perception of academic excellence.

(iii) Implement mechanisms to prevent and detect fake publications and fraud which are independent of publishers.

(iv) Draft and implement legislations, regulations and policies to increase publishing quality and integrity.

This is a call to action for universities, academies, science organizations and funders to unite and join this effort.

Link:
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsos.251805#d12867110e1


Siehe auch: Stockholm-Deklaration“ Vorgehen gegen Wissenschaftsbetrug  von Anja Braun (SWR), 7.11.2025