Stiftungspropaganda zu Digitaltechnik und (eigenen) Geräten im Unterricht („Bring Your Own Device“)
Wer den Artikel in der ZEIT zur neuen Telekom-Studie „Schule digital. Der Länderindikator 2015“ oder in Folge die Studie selbst liest oder wer die Begleitveranstaltung der ZEIT im Deutschlandfunk verfolgt hat bzw. nachhört, dürfte sich wundern. Obwohl alle wissenschaftlich relevanten Studien belegen, dass der Einsatz digitaler Medien im Unterricht NICHT zu besserem Unterricht oder besseren Ergebnissen der Schülerleistungen führt, werden Lehrerinnen und Lehrer, die digitale Geräte einsetzen, unisono als besonders mutig und aufgeschlossen, aktiv und kreativ bezeichnet. Die Studie selbst fordert unbeeindruckt von gegenläufigen Befunden aus der Praxis mehr Digitaltechnik an Schulen und im Unterricht. Auf der Konferenz in Berlin schließlich wurde das Hohelied der Digitalität gefeiert, als wollte man mit den von Steve Jobs inszenierten Apple-Gottesdiensten bei Einführung neuer Digital Devices konkurrieren. Technikeinsatz im Unterricht scheint bereits für sich genommen eine Qualität zu sein.
Die Inhaltsleere (bzw. der propagandistische Hintergrund) der Digitaleuphorie wird alleine aus der Diskrepanz von Studienergebnissen und Forderungen deutlich. Selbst der Leiter der hier referierten Telekom-Studie, Professor Dr. Wilfried Bos, weist im Interview (im Vorspann der Studie) ausdrücklich auf den fehlenden Nutzennachweis von Digitaltechnik für bessere Unterrichtsergebnissen hin, auch wenn er zunächst (wie alle Befürworter von Digitaltechnik) grundsätzliche Ausstattungsmängel beklagt.
„Die PISA-Sonderauswertung über „Students, Computers and Learning“ bestätigt, was sich schon in anderen Studien gezeigt hat: Die Ausstattungssituation an Schulen in Deutschland ist mäßig bis schlecht. Und das haben die Ergebnisse unserer Studie erneut belegt. Es hat sich wenig getan.“
Spannend ist der nächste Absatz:
„Die Sonderauswertung hat auch gezeigt, dass Staaten, die in den letzten Jahren verstärkt in die Ausstattung der Schulen investiert haben, in den vergangenen zehn Jahren keine nennenswerten Verbesserungen der Schülerleistungen in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik oder Naturwissenschaften erzielen konnten. Die verstärkte Nutzung digitaler Medien führt offensichtlich nicht per se zu besseren Schülerleistungen. Vielmehr kommt es auf die Lehrperson an. Ihr muss es gelingen, digitale Medien sinnvoll in den Unterricht zu integrieren.“ (Telekom-Studie, S. 8)
Die schlechte Ausstattung wurde schon in der ICILS-Studie beklagt, obwohl die Anzahl von Rechnern pro Schüler exakt nichts über die Qualität von Unterricht und/oder den Lernerfolg aussagt. Genau so steht es auch im zweiten Absatz: Investitionen in Digitaltechnik haben keine nennenswerten Verbesserungen der Schülerleistungen gezeigt. Wer trotzdem weitere Investitionen in IT fordert, hat schon rein logisch ein Argumentationsproblem. Vielleicht ist es ja in ganz anderem Sinn mutig und kreativ, derlei Techniken einzusetzen und den eigenen Unterricht damit bestreiten zu wollen, obwohl keine nennenswerten Verbesserungen der Schülerleistungen aufzuzeigen sind? Statt auf Digitaltechnik verkürzte „Medienkompetenz“ einzufordern, könnten in diesem Fall womöglich einfache Lesekompetenz und Textverständnis genügen, um den Selbstwiderspruch von Argument und Forderung aufzuzeigen?
Der ganze Beitrag (10 Seiten mit Quellen) als PDF: Telekom-Stiftungs-Studie