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Die Entmündigung des Individuums durch die Vermessung der Welt

Die nahezu alle Lebensbereiche durchdringenden Digitaltechniken sind der Generalnenner der letzten zwei Dekaden. Netzwerke und mobile Geräte entwickelten sich zum Nervensystem postindustrieller Gesellschaften.

Wer Web & Co. für Unterhaltungsmedien, wer Smartphones, Apps und Social Media-Plattformen für Kommunikationstechniken hält, greift jedoch zu kurz. In zahlreichen, von Digital-Industrie und Wirtschaftlobbyisten gesponserten Projekten manifestiert sich der Anspruch, auch Lehr- und Lernprozesse zu steuern (Schulen ans Netz, Tablet-Klassen bereits in der Grundschule, Online-Kurse statt Unterricht u.a.) oder Menschen mittels digitaler Dienste (Apps) zur permanenten Selbstvermessung (Quantified self) und damit zur Ausrichtung des eigenen Verhaltens an Kennzahlen zu verleiten. Mit der Nutzung von Digital- und Netzwerktechniken nimmt man dabei notwendig den permanenten Rückkanal in Kauf – die vollständige Speicherung aller Verbindungsdaten, aller Aktionen und medial kommunizierter Inhalte.

Die Komplettüberwachung der Bürger demokratischer Staaten durch die eigenen Geheimdienste ist dabei nur ein Aspekt. Die Profilierung bereits von Minderjährigen durch eLearning oder die Berechnung von z. B. Krankenversicherungstarifen auf Basis der „freiwilligen“ Selbstvermessung (Generali) sind Beispiele für den Verlust der (Selbst-)Kontrolle über die stetig wachsender Datensammlungen. Entscheidend ist das daraus entstehende Potential, Menschen und ganze Gesellschaften durch die Auswertung dieser Daten und entsprechendes Feedback zu beeinflussen und letztlich zu steuern: Big Brother durch Big Data. Dass das nicht „alternativlos“ ist, zeigen konkrete Handlungsvorschläge am Ende des Beitrags.

in: K.H. Dammer et.al.: Zur Aktualität Kritischer Theorie im erziehungswissenschaft­lichen Diskurs, Springer VS (Wissenschaft), 2015, S.277-297