Die „Digitalisierung“ scheint die aktuelle Heilslehre zu sein, die viele Menschen (ver-)blendet. Das „Vordringen der Digitaltechnik in alle Lebensbereiche“ sei alternativlos und unumkehrbar, heißt es allenthalben – als sei das Etablieren einer technischen Infrastruktur eine Naturgewalt und als stünden nicht ganz konkrete wirtschaftliche Interessen hinter diesen Netzwerkdiensten. Ausgeblendet wird, dass hinter Phrasen wie „die Digitalisierung verändert…“ oder „die Digitalisierung sorgt für… “ oder „die Digitalisierung führt zu …“ ganz konkrete und benennbare Akteure bzw. Unternehmen und deren Geschäftsfelder stehen. Die Digitalisierung als vermeintliches Subjekt: Das ist der übliche, pseudopersonifizierende Sprachstil (die Digitalisierung, die Technik, das Netz), der zugleich die realen Akteure (Konzerne und ihre Mitarbeiter) verschleiert und dadurch entpersonalisiert. Gegen „die Digitalisierung, die Technik …“ kann man ha nichts machen. Das ist strategische Kommunikation. Framing heißt das neudeutsch, wenn durch den gezielt falschen Gebrauch von Begriffen und penetrante Wiederholung dieser Umdeutung die Wahrnehmung und (Wert-)Urteile der Adressaten geändert werden. Auch Falsches schleift sich durch permanente Wiederholung ein.
Wer Bildungseinrichtungen wieder ihrer ursprünglichen Aufgabe – der Allgemeinbildung, Erziehung und Einbindung in die Sozialgemeinschaft wahrnehmen lassen will, beendet die Fixierung auf (digitale) Medientechnik und überantwortet Schule und Unterricht wieder den studierten und qualifizierten pädagogischen Fachkräften, statt Schule und Unterricht nach den Parametern von Betriebswirten, Informatikern und (Lern-)Psychologen und ihren Automatisierungs- und Standardisierungsphantasien auszurichten.
R. Lankau (2021) Digitalisierung als Technik der Gegenaufklärung
in: Kritische Psychotherapie. Interdisziplinäre Analysen einer leidenden Gesellschaft
hrsg. v. Martin Wendisch, Hogrefe, Schweiz, ISBN: 9783456859897, S. 147-157
Link zum Hogrefe -Verlag: Kritische Psychotherapie / ISBN: 9783456859897 / 2021, 496 Seiten