Big Tech, der Datenschutz und mehr

Bewirken Trump und Musk den notwendigen Bewusstseinswandel?

Beitrag von Harald Freiling und Stephan Schimmelpfennig, zuerst erschienen in Hessiche Lehrerzeitung (HLZ), Mitgliederzeitschrift der GEW Hessen, Heft 7-8/2025, Seite 6-7

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Unmittelbar nach Amtsantritt suspendierte US-Präsident Trump die Umsetzung eines Gesetzes zur Zerschlagung oder zum zwangsweisen Verkauf von TikTok, das zuvor vom Supreme Court für rechtmäßig erklärt worden war. Die Biden-Administration hatte das Verbot unter anderem damit begründet, dass TikTok zur Entwicklung des Algorithmus regelmäßig Daten nach China sende und die chinesische Regierung dann Zugriff haben könne.

Diese Begründung ist für Europäerinnen und Europäer durchaus interessant, weil auch die amerikanischen Tech-Giganten Microsoft, Google oder Meta Daten aller europäischen Nutzer abgreifen und Persönlichkeitsprofile erstellen können. Sie verfügen trotz der europäischen Regulierungsmaßnahmen über Informationen zu Geschlecht, Alter, Beruf, Einkommen, politischen Einstellungen, sexueller Orientierung oder Gesundheit, die für gezielte Werbung und Manipulation genutzt werden können. Auch die US-amerikanischen Geheimdienste haben weiter Zugriff auf die Daten.

Bedenken wegen des Datenschutzes blieben bisher genauso wirkungslos wie gravierende Sicherheitspannen. Vorbehalte und Verbote der Datenschutzbehörden bezüglich Microsoft 365 oder WhatsApp wurden in den Wind geschlagen und auch die hessischen Schulen weitgehend allein gelassen. Bei TikTok sind die EU-Behörden eher problembewusst. Im Mai 2025 verhängte die zuständige irische Datenschutzkommission DPC eine Strafe von 530 Millionen Euro, weil das Unternehmen europäische Nutzerdaten nach China weitergeleitet habe.

KI als Brandbeschleuniger

Im schulischen Bereich führt der sorglose und ungesicherte Umgang mit den eigenen Daten in Verbindung mit den technischen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz zu Mobbing und Doxing. Der Begriff Doxing (auch Doxxing) verbindet die Wörter „docs“ (Dokumente) und „dropping“ (fallen lassen). Gemeint ist die Preisgabe persönlicher Informationen im Netz, die dann von anderen meist ohne Zustimmung der Betroffenen öffentlich gemacht werden. Wie die Plattform telepolis erklärt, geschieht das „häufig mit dem Ziel, der betroffenen Person zu schaden, sie zu schikanieren oder unter Druck zu setzen“.
Durch die rasant wachsenden Einsatzmöglichkeiten Künstlicher Intelligenz potenzieren sich die Probleme. Hier nur ein paar wenige Beispiele:
Die für Google entwickelte Software „Theyseeyourphotos“ erkennt nicht nur die Zahl und die Abstammung der abgebildeten Personen, sondern spekuliert auch über deren sozialen Status, die Stimmungslage, die Hobbys oder Urlaubswünsche. Die Ergebnisse sind extrem schnell und teilweise erschreckend präzise. (1)

Der Messengerdienst WhatsApp aus dem Hause Meta integriert jetzt auch in Europa einen KI-Assistenten, mit dem die Nutzerinnen und Nutzer sprechend kommunizieren können. Die Weiterleitung der Geräte- und Verbindungsdaten ist Teil der Datenschutzrichtlinie von WhatsApp. Die Zukunft sieht Meta nach Informationen der kritischen Plattform netzpolitik.org „in einer allzeit mitlaufenden sprachgesteuerten KI“, deren Sprachdaten nicht lokal verarbeitet werden, „sondern in der Cloud, auf die sowohl die Konzerne als auch die US-Regierung Zugriff haben“.

Kommerzielle Anbieter entwickeln KI-basierte Tools für Lehrkräfte, die versprechen, Lehrkräfte bei Korrektur- und Verwaltungsarbeiten, bei der Unterrichtsvorbereitung und bei der Entwicklung von Aufgaben zu entlasten oder sie für vorhandene Tools zu schulen.

Hauptsache bequem!

An guten Angeboten und Tipps für mehr Datensicherheit, digitale Souveränität und Unabhängigkeit von den Angeboten der Tech-Konzerne ist kein Mangel. Internetseiten wie https://openalternative.co oder https://european-alternatives.eu bieten in der Regel Open Source basierte Alternativen zu den Betriebssystemen, Suchmaschinen, Kommunikationsplattformen und Anwendungen der großen Hersteller an. Warum diese aber so wenig genutzt werden, warum die Suchmaschine Google nach Angaben des Statistischen Bundesamt im Februar 2025 für rund 94 Prozent der Suchen über mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets benutzt wurde, dafür hat iX-Chefredakteur Oliver Diedrich auf www.heise.de eine einfache Antwort: „Datenschutz, Geld, IT-Sicherheit – da nimmt man halt Abstriche in Kauf, Hauptsache, es bleibt bequem.“ Vorinstallierte Software, einfache, intuitive Handhabung, die Bevorzugung eigener Dienste und Apps – das ermöglicht die komfortable Nutzung der Hardware vom ersten Tag an. Deshalb hat der Kampf der Datenschützer und Digitalisierungskritiker etwas vom Kampf Don Quijotes gegen die Windmühlenflügel.

Wie sollen Lehrkräfte und Schulen Zeit, Energie und Kompetenzen aufbringen, um gegen Datendiebstähle und Manipulationsmöglichkeiten vorzugehen, wenn die staatlichen Einrichtungen weiter ausschließlich auf Windows vertrauen? In den meisten Schulen laufen Windows oder Apple als Betriebssystem. Google ist als Suchmaschine voreingestellt, einen Netzwerkfilter gibt es nicht. Die IT-Abteilungen des Schulträgers oder die Datenschutzbeauftragten sind weit weg.

Wacht Europa endlich auf?

Möglicherweise ist mit dem Machtwechsel in den USA, mit dem inzwischen ungezügelten und maskenlosen Auftreten von Elon Musk, mit seinen bizarren Eskapaden und seiner Einmischung in den deutschen Wahlkampf zugunsten der AfD ein Game-Changer in Sicht. Die ersten Monate der Präsidentschaft von Donald Trump lösten eine Welle der Empörung aus, obwohl der von Oligarchen beherrschte „technisch-industriellen Komplex“, vor dem Joe Biden in seiner Abschiedsrede warnte, schon in seiner Amtszeit weiter an Geld und Macht gewonnen hatte. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sieht wie viele andere mit der Konzentration der Macht und des Reichtums „in der Hand von einigen wenigen digitalen Feudalherrschern wie Elon Musk“ das Ende der schillernden Verheißungen der sozialen Medien gekommen, die „unendlich vielen Menschen die Möglichkeit bieten, zu publizieren, zu posten, zu kommentieren, sich einzuschalten und mitzumischen“ (FR vom 22./23.2.2025).

Und plötzlich fanden auch die Warnungen des Kölner Medienwissenschaftlers Martin Andree verstärkte Aufmerksamkeit, der mit seinem „Atlas der digitalen Welt“ (Campus Verlag 2020) und seinem Buch „Big Tech muss weg“ (Campus Verlag 2023) erstmals den Monopolisierungsprozess in der Welt der Tech-Giganten vermessen und eine klare Gegenstrategie formuliert hatte. Zwar gebe es das „freie Internet“ technisch noch genauso wie zu Zeiten seiner Schöpfer wie etwa Tim Berners-Lee, tatsächlich sei es Digitalkonzernen aber gelungen, das Netz „zu einer bloßen Infrastruktur zu degradieren“ und den gesamten Traffic „in die Silos der eigenen Plattformen zu ziehen“. (2)

Inzwischen ist die Forderung nach digitaler Souveränität und Unabhängigkeit von den US-amerikanischen Tech-Konzernen und Plattformmonopolen auch dort angekommen, wo die Forderungen nach Datenschutz und gegen Hass und Hetze im Netz bisher leichtfertig weggewischt wurden. In Hessen blieb die Kritik an der Nutzung der Software des amerikanischen Unternehmens Palantir durch die hessische Polizei bisher ungehört. Jetzt prüft der hessische Datenschutzbeauftragte Alexander Roßnagel erneut, ob Daten an Unbefugte abfließen können. Auch die EU-Kommission besinnt sich der eigenen Gesetzgebung im DSA und DMA. Apple soll 500 Millionen Euro zahlen, weil sein App-Store Apple-eigene Apps bevorzugt. Und der Facebook-Instagram-WhatsApp-Konzern Meta soll 200 Millionen Euro zahlen, weil er von Nutzern Geld verlangt, damit er „die persönlichen Nutzerdaten nicht kombiniert und zur Personalisierung von Werbung verwendet“ (www.netzpolitik.org).

Die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD sieht vor, „nicht vertrauenswürdige Anbieter künftig rechtssicher auszuschließen“. Im Interesse der eigenen digitalen Souveränität sollen „Ebenen übergreifende offene Schnittstellen“ bereitgestellt und Open Source Software „mit den privaten und öffentlichen Akteuren im Ökosystem gezielt vorangetrieben werden“. Die Koalition will „die Vielfalt von Start-ups, Wirtschaft, öffentlichen Bildungsträgern und Sozialverbänden nutzen, um innovative und nachhaltige Angebote für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen“. Und angesichts der skandalösen Haftungsfreistellung für Social-Media-Plattformen will man „eine verschärfte Haftung für Inhalte“ prüfen. Outlinks zu Drittanbietern seien grundsätzlich zuzulassen.

Save Social: 250.000 Unterschriften

Eine Petition der Initiative Save Social fand innerhalb weniger Tage 250.000 Unterstützerinnen und Unterstützer, die zehn konkrete Schritte vorschlagen, „um das Internet von der Dominanz der Monopolkonzerne zu befreien und alternative Plattformen für Information und Debatte zu stärken“ (https://savesocial.eu). Dazu gehören Marktanteilsobergrenzen, offene Standards, Interoperabilität und eine Digitalsteuer für die großen Plattformen, die von Andree prioritär geforderte Trennung von Inhalten und Verbreitungsweg und eine Verbesserung der Medienbildung. Bildungseinrichtungen, insbesondere Schulen und Träger von Medienkompetenz-Angeboten, sollen verpflichtet werden, „in erster Linie die Nutzung offener und demokratiestärkender Plattformen und Netzwerke zu vermitteln“. Gleichzeitig soll die Nutzung von Hardware und Angeboten der Monopolplattformen in Bildungseinrichtungen eingeschränkt werden mit dem Ziel, „diese möglichst ganz zu vermeiden“.

Hier gilt es auch für die Gewerkschaften, sich ihrer Rolle, ihrer Kompetenzen und ihrer Stärken zu vergewissern. Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen alternative Betriebssysteme, gute, datensichere und handhabbare Software sowie eine gewerkschaftseigene Plattform. Auch die Gewerkschaften müssen überlegen, wie sie der Softpower der Datenkraken Einhalt gebieten können. Das kann mit Sicherheit nicht der Initiative einzelner Datenschützer überlassen werden, wenn es nachhaltige Wirkung erzielen soll.


  1. Shortlink: https://tinyurl.com/2dhbuf5s
  2. Andree, Martin: The Hunger Games. Wie digitale Monopole den Journalismus zerstören und die Demokratie bedrohen. Friedrich-Ebert-Stiftung. Bonn 2024. Download: https://tinyurl.com/yvnz788t