Verstecken kann sich niemand mehr

lautete der Titel eines Beitrags von Wolfie Christl in der FAZ, der sich mit der Datenauswertung von Facebook (FB) beschäftigt. „Verstecken kann sich niemand mehr“ bedeutet dabei nicht nur, dass die persönlichen Daten eines Users (wer macht was wann mit welchen Geräten im Netz) zusammengetragen werden – das Lock-In ist die Erkennungsmarke über verschiedene Geräte hinweg: Auch beim Wechsel zwischen privaten und beruflich genutzten Geräten dienen Nutzeraccount und eMail-Adresse als Erkennungsmerkmal. Niemand kann sich verstecken heißt weiter, dass z.B. die Daten von Kundenkarten oder Telefon-Accounts ergänzt werden. „Niemand kann sich verstecken“ bedeutet aber genau so, dass selbst Daten von Nutzern zusammen getragen und gespeichert werden, die gar keinen Facebook-Account angelegt haben.

 

Es genügt, dass auf einer Website ein „Like-Button“ platziert ist (man muss nicht darauf klicken), um die IP-Adresse des Nutzers auszulesen und ihn zu „tracken“ (zu verfolgen) und später mit anderen Datensätzen abzugleichen. Es genügt alternativ bereits die eigene eMail-Adresse im digitalen Telefonbuch eines Facebook-Nutzers. Facebook liest beim Anmelden das gesamte Telefonbuch neuer Nutzer aus, aktualisiert den Datenscan regelmäßig und gleicht die eMail-Adressen mit vorhandenen Profilen ab. „Diese  Freunde sind auch schon bei Facebook“. Pro forma muss der Nutzer zustimmen, aber wer glaubt, dass Facebook Daten NICHT speichert, die im Zugriff sind, glaubt (pro forma?) auch daran, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Facebook legt in Folge Nutzerprofile auch für diejenigen an, die gar nicht registriert sind. Jetzt muss Facebook nur noch warten, bis diesen Nutzern, von denen bislang (durch Like-Button oder eMail-Adresse) „nur“ die eMail-Namen oder IP-Adressen bekannt waren, das noch fehlende Mosaiksteinchen (und über diesen Weg auch alle Nicknames) zugeordnet werden kann. Eine IP-Adresse hat jedes internetfhähige Gerät. Bekannte, die auf Facebook sind, hat wohl jeder Internet-Nutzer. Likes auf Websites sieht man erst, wenn die Website geladen ist….

 

So bekommt jeder Mensch, der eine eMail-Adresse hat und/oder irgend wann einmal eine Website mit Like-Button aufruft, eine weltweit einmalig UID (Unique Identification), die „Personalnummer bei Facebook“ (Lauer, FAS vom 19. April 2015, S. 41). Diese UID wird, anders als Cookies, nicht auf den Rechnern der Nutzer gespeichert, sondern auf den Facebook-Servern, und entzieht sich somit dem Zugriff und dem Löschversuch durch die Nutzer. Mit dieser IUD verbunden werden die algorithmisch generierten Profile zu Charakter, politischerEinstellung, sexueller Orientierung, Kaufverhalten, bevorzugte Reiseziele, Kontakte und Kommunikatinsverhalten etc.pp. oder kurz: Alles, was eine digitale Spur hinterlässt und das ist alles, was der Einzelne wann auch immer im Netz macht. Wie Google (durch die Auswertung von typischen Suchanfragen und Mustererkennung) weiß auch Facebook oft früher als der eigene Bekanntenkreis, wenn jemand seinen Arbeitsplatz verliert oder wechseln möchte, Frauen schwanger sind, es Ehe- oder Suchtprobleme gibt u.v.m.

 

Facebook will alles über seine Nutzer wissen, sie über alle Geräte hinweg im Netz identifizieren und daraus immer exaktere Profile erstellen. Diese dienen zur „zielgenauen Werbung“ ebenso wie dem Verkauf dieser Profile an Arbeitgebner, Versicherungen, Banken. Die technischen Möglichkeiten der vollständigen Datenexhibition (ohne Zustimmung der Nutzer) existieren, wie nicht zuletzt die Web-Doku-Reihe von Arte zeigt. Die autoritären und absoluten Ansprüche von Zuckerberg & Co. auf Nutzerdaten (alle Daten für das Silicon Valley, keine Privatsphäre, voillständige Öffentlichkeit des Verhaltens und der Kommunikation  etc.) sind bekannt (nachzulesen im sprachlich und dramaturgisch leider unterbelichteten „The Circle“ von  Dave Eggers oder in der Arte Web-Doku-Reihe).

Verstecken kann sich niemand mehr. Das ist das technische Imperativ von Big Data.

Nicht bekannt ist, warum sich so viele User mit ihren Daten so bereitwillig exibitionieren und zu dieser Datenprostitution beitragen. Nicht bekannt ist auch der Grund für das Versagen der politschen Instanzen, die immer noch nicht verstanden haben, dass man dieser Datensammelwut nur mit dem Primat des Rechts beikommt. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, den gewünschten und den erlaubten Umgang mit personenbezogenen Daten zu regeln und zu reglementieren. Und nur, wer sich nachrpüfbar an diese Regeln hält, darf seine Dienste in Deutschland und/oder Europa anbieten. Das verhindert keinen Missbrauch, gibt aber Regeln und Rechtsrahmen vor und dient als Rechtsgrundlage zur Reglementierung bei Fehlverhalten. Wem das alles zu abstrakt (oder zu viel Text) ist, schaue vielleicht zuerst die Episoden bei Arte als Einstieg.

 

Der Artikeln von Christl in der FAZ: Facebooks Datenauswertung – Verstecken kann sich niemand mehr

Der Artikeln von Christl auf der „Do not track_Homepage: Verstecken kann sich niemand mehr

Website zur Web-Doku und den Episoden: www.donottrack-doc.com, eine Website von Arte, dem National Film Board of Canada (www.onf.ca) dem Bayrischen Rundfunk u.a. für eine Web-Doku-Reihe zum Thema Netz und Datenschutz.

Der Artikel von Christoph Lauer (2015) Volksrepublik Facebook. Wie das soziale Netzwerk das ganze Internet kolonisiert, FAS vom 19.4.2015, S. 41 (weitere Artikel zum Thema siehe Digitaldebatte der FAZ)