Digitalisierung als Heilslehre

Über das Missverständnis von Medientechnik im Unterricht

in: Schule im Blickpunkt 2016/2017, Heft 3, S. 8-10, Landeselternbeirat Baden-Württemberg

Wenn man die Verlautbarungen aus dem Wissenschafts- und Kultusministerien verfolgt (oder den Beitrag von Saskia Esken in „Schule im Blickpunkt“ liest;  Heft 6, 2015/2016, S. 3-5), scheint es für Bildungseinrichtungen nur noch ein Thema und nur noch ein Ziel zu geben: die Digitalisierung. Dabei reicht bereits die einfache Frage des „cui bono“ (wem nützt es), um zu zeigen: Die einzigen Nutznießer von Digitalagenda und Digitalpakt#D sind IT-Firmen – auf Kosten der Schülerinnen und Schüler, zu Lasten ihrer Selbständigkeit und damit ihrer Zukunftsperspektiven – und zum Schaden öffentlicher Bildungseinrichtungen.

Technikeuphorie auf Wiedervorlage

Digitale Medien und Unterricht: Versprochen wird, was bei Einführung jeder neuen Medientechnik proklamiert wird: Zeitgemäßer, moderner Unterricht, höhere Motivation der Schüler/innen, bessere Lernleistungen, Entlastung der Lehrkräfte vom Unterrichten und dadurch mehr Zeit für die Einzelbetreuung.  (Hübner, 2005, S. 274-293) Technischen Medien wird dabei regelmäßig ein quasi automatisches Lehrpotential zugeschrieben, das im gleichen Atemzug den studierten Lehrkräften abgesprochen wird. Dabei gibt es weder digitalen Unterricht noch digitale Bildung. Unterricht ist bereits sprachlogisch an Lehrende und Lernende gebunden. Fehlt ein Part, sind es mediengestützte Selbstlernphasen. Bildung ist ebenso notwendig an ein Subjekt gebunden. Bildung ist weder Medium noch Speicherformat, kein Objekt und keine messbare Größe, sondern immer Merkmal einer Persönlichkeit.

Wer Unterricht und Bildung technisch definiert, argumentiert nicht pädagogisch und human, sondern neoliberal und ökonomistisch. Es ist daher charakteristisch für einen technokratischen Bildungsbegriff, wenn der Bertelsmann-Konzern unter der Überschrift „Wachstum Education“ damit wirbt, dass dank Digitalisierung „Bildung auch online in guter Qualität ausgeliefert werden“ könne. Termini aus der automatisierten Produktion standardisierter Konsumgüter und dem Qualitätsmanagement (QM) werden auf soziale und interpersonale Prozesse übertragen. Das ist im Wortsinn a-sozial und inhuman.
Immerhin ist das eine historische Konstante, die man bei Claus Pias ebenso nachlesen kann wie bei Edwin Hübner. Beide haben sich mit der historisch seit dem 17. Jh. belegten Automatisierung der Lehre und Lernkontrollsystemen befasst, mit, so Pias, „Unterrichtsmaschinen, Lerngutprogrammierung, Lehrstoffdarbietungsgeräte und Robbimaten“. Denn die Vorstellung, „man könne Lehre automatisieren, um sparsamer, effektiver und sachgemäßer zu unterrichten, ist älter als Internet und Computer.“3 Hübner kommt aus anthropologischer Sicht zum gleichen Ergebnis wie Pias: Medientechnik als Ersatz der Lehrerinnen und Lehrer scheitert notwendig. Das ist Stand der Wissenschaft: Ein Nutzen von Digitaltechnik und digitalen Medien im Unterricht ist bislang nicht nachgewiesen .

Das Scheitern als Konstante

Aktuelle Studien zeigen das Scheitern der Medialisierung und Digitalisierung von Unterricht.

Der ganze Beitrag (7 Seiten, mit Quellen) als PDF: Lankau: Digitalisierung als Heilslehre