Zur Dialektik eines Transformationsprozesses
Gastbeitrag von Burkard Chwalek, erschienen in: Beruflicher Bildungsweg – bbw, Heft 7 + 8/2017, S. 6-10
Im 2016 vorgelegten Strategiepapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ werden auf blau unterlegten Textkästen Aspekte der „Bildungswelt digital 2030“ angeführt. Auf S. 12 finden sich in dem inzwischen üblich gewordenen und zunehmend diskussionslos verordneten Kompetenzduktus, der logisch unhaltbar Zukunftsprognosen in Ist-Zustände umdefiniert, die beiden folgenden Sätze: „Abschlüsse digital gestützter Lernangebote sind entsprechenden Präsenzveranstaltungen gleichgestellt.“ und „Pädagoginnen und Pädagogen nutzen in verantwortungsbewusster Weise digitale Lernplattformen, um systematisierte Informationen zum Lernfortschritt der Bildungsteilnehmer zu erhalten, und zur besten individuellen Förderung.“
Das sind zweifellos höchst implikationenreiche Aussagen. An der ersten könnte man noch anerkennen, dass die Junktur „digital gestützter Lernangebote“ wenigstens den inhaltsleeren, uneigentlichen Attributgebrauch des Wortes „digital“ in Wendungen wie „digitale Bildung“ meidet, die sonst den gesamten Text durchziehen. Wenig Anlass zu Unbekümmertheit geben indes die darin enthaltenen Hinweise auf vielfältige problematische Punkte und Fragen, die das Strategiepapier aufwirft, ohne auch nur Ansätze zu ihrer Beantwortung zu bieten. Diese bilden zugleich das leitende Frageinteresse der folgenden Überlegungen:
Was bedeutet es für den Lehr-Lern-Prozess, wenn aus ihm die direkte soziale Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden und den Lernenden untereinander zunehmend eliminiert und den Wirkmechanismen technischer Apparaturen und Kontrolle unterworfen wird? Welche Auswirkungen und möglicherweise unerwünschten (Neben)Effekte lassen das systematische Erheben, Speichern und Verarbeiten von Daten, also Lernen unter den Bedingungen technisierter Überwachung, auf den einzelnen Menschen erwarten? Wie verhalten sich das abverlangte Sich-Andienen-Müssen der Lernenden an von außen steuernde Lernsoftware und die in Aussicht gestellte beste individuelle Förderung zueinander? Was und wem gegenüber (den privaten Dienstleistern, die dem Papier zufolge zunehmend in den öffentlich Bildungsbereich drängen sollen (vgl. z. B. S. 4)?) meint in diesem Zusammenhang eine verantwortungsbewusste Nutzung digitaler Lernangebote? Welches – gegebenenfalls schon gar nicht mehr reflektierte – Welt- und Menschenbild treibt den Prozess umfassender Digitalisierung voran? Und schließlich: Was bedeutet ein solches Vorhaben für ein demokratisch legitimiertes und zu legitimierendes Bildungs- und Gemeinwesen insgesamt?
Der ganze Beitrag (9 Seiten mit Quellen) als PDF: B. Chwalek: Bildung im digitalen Wandel