Am 25. Mai 2018 tritt die Europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) nach zweijähriger Übergangsfrist in Kraft. Die Verordnung reagiert auf Geschäftsmodelle großer Internetkonzerne – dem Sammeln und Auswerten von immer mehr Daten von möglichst allen Personen, am besten schon von Kindern. Durch immer genauere Persönlichkeits- und Verhaltensprofile lassen sich Menschen in ihrem Verhalten beeinflussen. Das ist erklärtes Ziel der Daten-Ökonomie (Dataismus) – und eine ernste Gefahr für die Selbstbestimmung von Menschen und demokratische Gesellschaften. Welche Bedeutung die EU dem Datenschutz ihrer Bürger als zentrales Rechtsgut zuschreibt, wird durch die möglichen Sanktionen deutlich. Bei Zuwiderhandlung drohen Strafen bis zu 20 Millionen Euro oder 4% des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens.
Die wichtigsten Ziele der Verordnung sind der grundsätzliche Schutz personenbezogener Daten und das Stärken der Nutzerrechte gegenüber Datensammlern jeglicher Couleur. Ein besonderer Schutz gilt für Daten von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren. Internetdienste dürfen solche Daten zukünftig nur noch speichern, wenn die Eltern vorher zustimmen. Auch Bildungseinrichtungen müssen das Einverständnis der Eltern einholen, bevor sie mit Netzdiensten arbeiten dürfen. Sie sind zugleich für Daten verantwortlich, die durch den Einsatz von netzfähigen Geräten und Diensten im Unterricht entstehen.
Konsequenzen für Schulen
Die logische Konsequenz: Schulen sollten vom Netz gehen und offline arbeiten, bis die datenschutzrechtlichen Fragen der EU-DSGVO juristisch geklärt sind. Die zweite: Wir müssen lernen, wieder relevante Fragen zu stellen. Statt: Was kann man mit neuen Geräten im Unterricht alles machen? Besser: Was sollen Schülerinnen und Schüler am Rechner lernen? Wieso und bei welchen Aktionen entstehen personenbezogene Daten? Wieso werden diese gespeichert, wo, von wem und wie lange? Vor allem: Für was? Seit wann ist es Aufgabe von Bildungseinrichtungen, immer kleinteiligere, datenbasierte Lernprofile von Schülerinnen und Schülern zu erstellen? Zu wessen Nutzen? Schulen sind soziale Schutzräume, keine Datensammelstellen für IT-Anbieter.
Dazu kommt: Als Arbeitsgeräte für den Unterricht sind Tablets und Smartphones eher ungeeignet. „Unterhaltungselektronik für Erwachsene“ nannte Apple-Gründer Steve Jobs diese von ihm konzipierten Geräte. Wer Rechner als Werkzeug in Schulen etablieren möchte, setzt aus pädagogischen Gründen Desktoprechner oder Laptops ein und trennt so Medienkonsum und private Kommunikation von inhaltlicher Arbeit. Diese Rechner werden von der Schule gestellt und sind offline. Hier installiert man benötigte Programme (Open Source) und richtet ein schulinternes Intranet ein. Dann können sich Schüler und Lehrkräfte lokal vernetzen, ohne Daten in die Cloud zu verlieren.
Private Geräte – Stichwort BYOD (Bring Your Own Device; in der Praxis: Begin Your Online Desaster) sind an Schulen kontraproduktiv. Sie untergraben die Aufmerksamkeit und lenken ab, selbst ausgeschaltet im Ranzen. Auf Daten, Adressen und Dienste privater Smartphones haben Lehrkräfte keinen Zugriff. Dafür geben zwei Drittel aller Apps Nutzerdaten an Dritte weiter. Frankreich untersagt deshalb private Geräte ab September 2018 an Schulen ganz.
Sind Netzrecherchen didaktisch notwendig, richtet man dafür spezielle Schulrechner mit Netzzugang ein und entwickelt als Teil des Unterrichts Online-Recherchestrategien, diskutiert die Relevanz von Quellen, thematisiert Filterblasen, Fake News etc. Nur für Unterrichtszwecke relevante Webseiten sind dabei von Schulrechnern aus erreichbar (White List). Über solche Filter und verschlüsselte Datenleitungen kann man sich mit anderen Schulen verbinden.
IT neu denken
Umdenken heißt das, auf allen Ebenen. Die Prämissen sind: Achtsamkeit gegenüber Datensammlern, Transparenz der Nutzerdaten und Datensparsamkeit. Selbst Lehrkräfte brauchen während des Unterrichts keinen Netzzugang, wenn sie ihre Stunden vorbereiten und benötigtes Material vorher aus dem Netz laden.
Seit 1984 wurde jede neue Gerätegeneration – vom PC über Laptop bis Smartphone und heute Tablets für Schulen gefordert. Morgen sind es Virtual Reality-Brillen, übermorgen etwas Neues. Dabei entscheidet nicht Medientechnik über das Gelingen von Unterricht und Lernprozesse. Entscheidend sind qualifizierte Lehrkräfte und das soziale Miteinander. Statt Schulen zu Datenspendern für IT-Monopole zu machen und Lernende dafür an Lernstationen sozial zu vereinzeln, sollten Medien und deren Nutzen im Präsenzunterricht und für Selbstlernphasen im Mittelpunkt stehen, ohne dass Datenprofile entstehen.
Der Mensch als Datensatz ist das Ziel der Dataisten. Schulen sollten pädagogische und fachliche Ziele haben.