Die Digitaltechnik dringt inzwischen in alle Lebensbereiche vor, auch wenn die Notwendigkeit dafür (aus Geschäftsinteressen) nur behauptet wird. Nach Arbeitswelt, Kommunikation und Konsum stehen jetzt Bildungs- und Gesundheitssysteme auf der Agenda der Digitalisten. Dabei wird i.d.R. vergessen, dass es bei diesem Wechsel von analogen zu digitalen Anwendungen und Diensten nicht (nur) um ein technisch anders organisiertes Speicherformat für Daten geht. Entscheidend ist anderes. Zum einen wird alles an Information digitalisiert und im Netz gespeichert, was sich digitalisieren und speichern lässt, über jeden Einzelnen. Zum andern werden diese Daten kumuliert und mit Methoden des Big Data Mining analysiert.
Aktuell kann man das bei der Diskussion um Gesundheitsdaten beobachten. Jens Bass zum Beispiel, Chef der Technikerkrankenkasse, plädiert für eine elektronische Patientenakte. Auf dieser digitalen Akte werden alle Arzt- und Klinikinformationen gespeichert, Röntgenbilder, Laborbefunde, Behandlungen, Medikation u.ä. Ergänzt werden diese Informationen im Idealfall von den Daten der sogenannten Fitness-Tracker – Uhren oder Armbänder mit Chips und Sensoren, die permanent Puls, Körpertemperatur, Hautwiderstand u.a. messen, um daraus Bewegungs- oder Schlafprofile zu erstellen, die mit den anderen Gesundheitsdaten zusammengeführt werden. Basis für solche Überlegungen sind weder medizinische Notwendigkeiten (die Bundesbürger sind gut und zuverlässig versorgt) noch Bedürfnisse der Bürger, sondern die technische Möglichkeit der Datenerhebung und -kulmination, aus denen IT-Anbieter Geschäftsmodelle entwickeln können. Die Pro-Argumente sind die üblichen, die zuverlässig bei allen Digitalanwendungen zu hören sind: es gäbe mehr Transparenz (transparent wird nur der User), digitale Daten ermöglichten Individualisierung und passgenaue Behandlung des Einzelnen (dabei wird nur nach vordefinierten Regeln und typischen Mustern agiert), Effizienzsteigerung und Innovation werden schon pro forma genannt und immer auch Kostenersparnis (obwohl IT-Projekte zuverlässig und regelmäßig Mehrkosten verursachen). Je individualisierter und intimer diese zusammengetragenen Daten sind, desto besser. Daten sind schließlich der „Rohstoff des digitalen Zeitalters“, heißt es allerorten, personenbezogen Daten und möglichst präzise Profile sind die veredelte Variante.
Datensätze und Mustererkennung statt Individuen
Während mit dem Begriff “Web 2.0“ das sogenannte Mitmach-Web etabliert wurde, dessen Besonderheit und Ziel es war, dass möglichst jeder Bürger möglichst viele persönliche Daten selbst ins Netz stellt, verbindet sich mit dem derzeit inflatorisch benutzten Kürzel „4.0“ (Vier-Punkt-Null) der Anspruch, all die Prozesse zu automatisieren und zu digitalisieren, die zu automatisieren und zu digitalisieren sind.
Der ganze Beitrag (7 Seiten) als PDF:Die Verdinglichung des Menschen (01)