Außen vor bleiben Themen wie die entstehende Infrastrukturen für netzbasierten Online-Unterricht (Fern- statt Präsenzunterricht auch ohne Covid-19) samt Folgekosten oder die Auswirkungen für den Unterricht. Ausgespart wird die zwingend notwendige Diskussion über das sich ändernde Menschenbild, den „heimlichen Lehrplan“, der mit der digitalen Beschulung einher geht, wenn Kinder und Jugendliche alleine an Lernstationen ihre Wochenpläne am Rechner abarbeiten. Automatisierung, Digitalisierung, Steuerung und Kontrolle von Prozessen: So hat die amerikanische Wissenschaftlerin Shoshana Zuboff bereits 1988 die Prinzipien der Informationstechnik benannt. Daraus haben sich Strukturen entwickelt, die sie Überwachungskapitalismus nennt (Zuboff 2018) und die man, beim Einsatz dieser Techniken in Schulen, Überwachungspädagogik (M. Burchardt) nennen muss. Das ist das Gegenteil von dem, was Pädagogik bedeutet: Persönlichkeitsbildung im Erwerb von Wissen, Können und Wertorientierung.
Aus dem Unterrichten als „Verstehen lehren und lernen“ (A. Gruschka) als wechselseitige Beziehung zwischen realen Personen wird durch Lernmanagementsoftware ein zunehmend automatisiertes Beschulen und Testen. Aus dem pädagogischen Prozess der Erziehung und Emanzipation wird durch digitale Endgeräte und Parameter der Daten-Ökonomie ein System der Metrik (Messen und Bewerten). Die Basis sind personenbezogene Daten. Die Begriffe dafür sind datengestützte Schulentwicklung, Learning Analytics und empirische Bildungsforschung. Statistik, Diagnostik und Prognostik statt Pädagogik. Statt der Schule als einem sozialen Ort der Gemeinschaft entsteht eine Einrichtung zur fremdgesteuerten Selbstoptimierung nach algorithmischen Vorgaben. Statt der Entwicklung von Persönlichkeit, Mündigkeit, Gemeinsinn und Eigenverantwortung lernen Kinder, sich systemkonform zu verhalten.
Hier gilt es, sich zu besinnen. Der psychotechnischen Maxime eines William Stern „Es muss sich testen [messen] lassen“ muss ein Zitat von Albert Einstein gegenüberstehen: „Nicht Alles was zählt, kann man zählen [also messen]. Und nicht Alles was man zählen [also messen] kann, zählt!” Anstatt Schule und Unterricht durch digitale Transformation für Metrik und Technik zu optimieren, muss der Fokus wieder auf Individuum, Gemeinschaft und humanen Lernprozessen liegen. Digitaltechnik kann dabei ein Werkzeug unter vielen sein. Bildung aber ist Beziehung: Der Mensch wird am Menschen zum Menschen. Dazu sind hier einige Prämissen formuliert:
Dieser Aufruf dient zur Besinnung und als Anregung für Gespräche über die digitale Transformation von Schule und Unterricht. Sie können den Text gerne weitergeben und in Ihren Kreisen diskutieren.
Text als PDF: Aufruf zur Besinnung: Humane Bildung statt Metrik und Technik
Gesellschaft für Bildung und Wissen e.V.
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futur iii + Bündnis für humane BildungProf. Dr. phil. Ralf Lankau |