Unter dem Titel „Noch erscheinen die Diktatoren des Internets milde“ veröffentlichte die FAZ am 2. Juli ein Gespräch mit dem amerikanischen Informatiker und Entwickler von Computerspielen Jaron Lanier. Online erschien das Interview unter dem Titel „Warum wollt ihr unseren Quatsch?“, was hier als Frage an jeden Internetnutzer weitergegeben sei.
Lanier ist ein Urgestein der Informatik und auch des Web, hat selbst Spiele programmiert (Moondust, 1983) und den Begriff „virtuelle Realität“ (virtual reality) geprägt. Jaron Lanier hat sich dabei mit der Zeit von einem „Mittäter“ und Entwickler des Web zu einem der wenigen Kritiker gewandelt, die ihre eigene Unbedarftheit der Frühzeit der Computerei, aber auch den Pragmatismus mancher Entscheidungen aus einer Anfangseuphorie heraus nicht leugnen. Es sei bekannt gewesen, welches Missbrauchspotentail das Web in den falschen Händen habe: „Wir kannten Skinners Experimente. Uns war klar, dass, wenn alle über digitale Netzwerken interagieren, man damit Verhalten manipulieren könnte. So subtil, dass es für die Nutzer kaum spürbar wäre: Dem ganzen Projekt wohnte von Anfang an eine enorme Versuchung zum Machtmissbrauch inne.“ Aber die Angst sei gewesen, dass das Projekt „Web“ gar nicht begonnen worden wäre, wenn man zuviel und zu früh über Kontroll- und Steuerungspotential geredent hätte: „Soll man über diese Gefahren reden, bevor überhaupt das WWW in Gang gekommen war?“
Stattdessen wurde bereits auf der technischen Ebene ein Web aufgesetzt, das den Einzelnen der Steuerung und Manipulation via Web aussetzt, wobei „Selbstbestimmung und Individualisierung“ nur propagiert werden.
FAZ: Der einzelne Nutzer nimmt das ganz anders wahr. Für ihn sind seine Aktionen in sozialen Netzwerken Ausdruck seines Individualismus, manche nutzen die Plattformen als regelrechte Propagandainstrumente des Individuums.
Lanier: Der oberste Grundsatz einer nutzerorientierten Plattform im Silicon Valley ist, dem Nutzer zu schmeicheln, so viel es irgend geht. Schmeichelei ist ein uraltes Spiel. Und wir im Silicon Valley haben es darin zur Meisterschaft gebracht. Wir verschaffen dem Nutzer die Illusion, dass er viel beliebter ist, als er in Wirklichkeit dasteht. Das nimmt zuweilen erpresserische Züge an. Die Menschen bekommen es mit der Angst, ihre Beliebtheit zu verlieren, wenn sie sich nicht den Regeln unterwerfen, die in den Netzwerken gelten. Also wird es ein Kontrollsystem. Eine klassische kybernetische Kontrolle. Wie eine Skinner-Box.
FAZ: Die berühmte Box aus der Verhaltensforschung, in der Tieren durch mechanische Belohnung einfachste Verhaltensweisen antrainiert werden …
Lanier: Und in der heute Nutzer dressiert werden, sich den Regeln von Facebook und anderen Netzwerken zu unterwerfen, so dass sie in ständiger Furcht leben, die empfundenen Vorzüge des Netzwerkes zu verlieren, wenn sie sich nicht konform verhalten. …
Das ganze Interview auf FAz-online: Warum wollt ihr unseren Quatsch?