Digitale Medien und Unterricht in Schule und Hochschule
in: lehrer nrw, Verband f. d. Sekundarbereich, Ausgabe 4 /2015, S. 13-16
Wer heute im Mainstream der öffentlichen Diskussion mitdiskutieren will, sollte das Hohelied des Digitalen singen. „Digital ist besser“ lautet etwa der Titel eines Buchs des Berliner Kulturstaatssekretärs Tim Renner. Zu Renners „Fachkompetenz Kultur“ gibt es (im Kontext der Neubesetzung der Leitung der Berliner Volksbühne) eine unterhaltsame Expertise von Claus Peymann: Renner sei „einer dieser Lebenszwerge, die jetzt überall die Verantwortung haben”, ohne von der Sache etwas zu verstehen und mit denen „ein Gespräch gar nicht möglich [sei]. Man sitzt einem leeren, netten weißen Hemd gegenüber.” (ZEIT, 12.4.2015).
Leere, weiße Hemden wird man assoziieren, wenn man einen Beschluss des Bundestages zur Kenntnis nimmt, der die Lobbyarbeit der IT-Industrie nur schlecht tarnt. Die große Koalition hat mit dem Antrag 18/4422 den Deutschen Bundestag aufgefordert, die „Förderung der Medienkompetenz“ zu beschließen, die „digitale Bildung“ an Schulen voranzubringen und die digitale Spaltung zu überwinden. Gemeinsam mit Ländern und Bildungsträgern sei ein „Pakt für Digitale Bildung“ ins Leben zu rufen, der die Aktivitäten von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft bündele. Es sei – so die Informatikern Saskia Esken – selbstverständlich, dass digitale Bildung altersgerecht unterrichtet werden müsse: ab der Grundschule. Wer lern- und entwicklungspsychologisch argumentiert, setzt für Schulanfänger andere Prämissen. Es gehe, so der ehemalige Gymnasiallehrer Sven Volmering, nicht darum, ständig neue Fächer zu schaffen wie bei der Forderung der Wirtschaftsverbände nach dem Fach „Wirtschaft“ oder der Forderung des Digitalverbandes Bitkom nach einem Fach „Informatik“, sondern um „didaktisch abgesicherte Konzepte für eine digitale Grundbildung“.
Das sind die Peymannschen weißen Hemden im Doppelpack. Didaktisch abgesicherte Konzepte für eine digitale Grundbildung gibt es ebenso wenig wie überhaupt so etwas wie eine „digitale Bildung“. Bildung ist notwendig an eine Person und an deren Bewusstsein gebunden. Es werden sprachlich unreflektiert (oder beabsichtigt?) Phrasen der IT-Industrie übernommen, die weder mit Lehr- noch mit Lernprozessen oder gar mit Bildung korrespondieren.
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