oder: Vom Unterrichten zum Vermessen. Bildungseinrichtungen unter dem Diktat von Betriebswirtschaft und Datenökonomie
Schriftliche Stellungnahmen zum Expertengespräch der Kinderkommission des Deutschen Bundestags „Chancen und Risiken des frühen Gebrauchs von digitalen bzw. Bildschirmmedien“, 16. Januar 2019, Berlin
Zusammenfassung (Abstrakt)
Die öffentliche Diskussion über den Einsatz digitaler Medien in Schule und Unterricht verkennt die zugrundeliegenden Interessen. Seit über 30 Jahren wird jede neue Generation von Digitaltechnik in die Schulen gedrückt. 1984 waren es Personal Computer (PC), in den 1990er Jahren Laptops, aktuell sind es WLAN, Tablets und Smartphones. Die Argumente sind identisch: Angeblich sorgen die Geräte für moderneren, innovativeren Unterricht, höhere Motivation der Schüler/innen, bessere Lernergebnisse. Wissenschaftlich valide Studien belegen das Gegenteil. Der pädagogische Nutzen war und ist bis heute negativ. PISA-Koordinator Andreas Schleicher: „Wir müssen es als Realität betrachten, dass Technologie in unseren Schulen mehr schadet als nützt.“ (Schleicher, 2016)
Der Aktionsrat Bildung bestätigt in einer Studie für die Vereinigung der Bayerischer Wirtschaft (vbw) „statistisch signifikant niedrigere Kompetenzen in den Domänen Mathematik und Naturwissenschaften“, wenn Grundschülerinnen und Grundschüler im Unterricht mindestens einmal wöchentlich Computer einsetzen im Vergleich zu Grundschulkindern, die seltener als einmal pro Woche Computer im Unterricht nutzten – und fordert trotzdem, die Schulen müssten schneller digitalisiert werden. (Beitrag: Falsch zitiert und falsch gemeldet)
Es geht offensichtlich um anders. Es sind wirtschaftliche Interessen der IT-Wirtschaft und der Global Education Industries (GEI), die die Bildungsmärkte nach angelsächsischem Vorbild privatisieren und kommerzialisieren wollen. Es sind zugleich die Geschäftsmodelle der Daten-Ökonomie, die alle Lebensbereiche verdaten und Menschen per Algorithmus und kybernetischen Modellen steuern wollen – wie in den 1950er Jahren (Behaviorismus, programmiertes Lernen).
Die Digitalisierung ist „nur“ die technische Infrastruktur zur Datenerhebung, die empirische Bildungsforschung das Instrumentarium zur Quantifizierung auch des Sozialen (Mau, 2018). Nach Arbeitsmarkt und Kommunikation stehen derzeit Bildung und Gesundheit auf der Agenda der Digitalisten. Das Problem: Werden soziale Systeme nach der binären Logik der IT umgebaut, verlieren sie alles Soziale.
Daher ist die vordringliche Aufgabe der Pädagogik, die derzeit dominierenden Denkstrukturen von BWL und IT, Empirie, Kennzahlenfixierung und behavioristischen Lerntheorien als dysfunktionalen und a-sozialen Irrweg zu kennzeichnen und stattdessen Schule und Unterricht wieder vom Menschen und seinen Lernprozessen her zu denken.
Der ganze Text (28 S.) als PDF:
Digitalisierung als De-Humanisierung von Schulen
Anhang
Der Spion im Klassenzimmer, FAZ vom 17. Januar 2018, S. N4
online unter: Bildungshäppchen, frei Haus geliefert
Bildung statt Profilbildung
Die EU hat eine neue Verordnung zum Datenschutz erlassen. Wer sie ernst nimmt, müsste die Schulen jetzt vom Netz nehmen. in: Süddeutsche Zeitung, 23. Mai 2018, S. 22
Offline lernt man vieles besser
Online unter: Schluss mit der Fixierung aufs Digitale!
Tablets und Handys haben im Unterricht nichts zu suchen. Sie sind dort nicht einmal rechtlich erlaubt. Wie lässt sich digitale Technik intelligent in der Schule einsetzen?, FAZ vom 08. August 2018, S. N4
Nicht für das Tablet, für das Leben lernen wir
Freundliche Belagerung? Besser als der digital produzierte Schüler ist der Wechsel der Schulen auf Open Source, FAZ vom 05. Dezember 2018, S. N4
Siehe auch:
Landtag Hessen: Öffentliche mündliche Anhörung des Hauptausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung zum Thema DIGITALISIERUNG (19/4111; 192896; 194357), Stellungnahme Lankau (August 2017)