Kein Mensch lernt digital

oder: Über das Missverständnis von Medientechnik im Unterricht,

in: Scheidl, Gehard; Schopf, Heribert (Hrsg.; 2020) Ökonomisierung und Digitalisierung. „Sargnägel der Bildungsreform?“ Löcker, Wien (ISBN 978-3-85409-993-2)

Die Begriffe „Ökonomisierung“ und „Digitalisierung“ werden im Zusammenhang mit beinahe allen Lebensbereichen besonders oft genannt, so auch im Bildungsbereich. In deren gemeinsamer „Agenda“ geht es um Wettbewerbsfähigkeit in einem digitalen Markt und um eine Stärkung der digitalen Wirtschaft. Ökonomisierung und Digitalisierung scheinen die Lösung für sämtliche Herausforderungen des auch Bildungsbereichs zu sein. Den Wirkungsversprechungen betreffend einer Qualitätssteigerung des Unterrichts und betreffend einer Verbesserung der Lernleistung der Schüler/innen kann man sich kaum entziehen. Dabei stehen jedoch kaum die bildenden Inhalte selbst im Mittelpunkt.
Learning Analytics und Big Data sind Kernelemente der „Digitalen Bildung“, in der die Lernenden von Algorithmen „überwacht“ werden. Die nichtalgorithmisierbare bildende Erfahrung mit der Sache wird dabei suspendiert. Der Computer gibt Aufgaben und Übungen vor, die Lehrenden werden zu „Lernbegleitern“. Bildendes Lernen im Unterricht und in letzter Konsequenz der Mensch selbst, werden auf eine messbare Ware reduziert.

Zusammenfassung Beitrag Lankau

Wer sich mit der angestrebten „Digitalisierung von Schulen“ befasst, stellt fest, dass die Tragweite der beabsichtigten Umwandlung von Bildungseinrichtungen zu standardisierten Lernfabriken durch Digitaltechnik und die automatisierte Beschulung durch Systeme der sogenannten „Künstliche Intelligenz“ (Big Data & Co.) nur von Wenigen realisiert wird. Viele Beteiligte (wollen) glauben, es ginge nur um eine bessere technische Ausstattung der Schulen zur Unterstützung der Lehrkräfte. Sie realisieren nicht, dass mit der digitalen Infrastruktur Kontroll- und Steuerungssysteme etabliert werden, die die Autonomie und Selbstbestimmung des Menschen ebenso gefährden (können) wie das Lehrer-Schüler-Verhältnis und letztlich demokratische bzw. humane Strukturen. Digitalisierung ist nicht nur das Synonym für Kontrolle, sondern Gegenaufklärung per App und Web. Wie Alternativen aussehen können, zeigt dieser Beitrag.

Abstract Article Lankau

Anyone who concerns themselves with the intended „digitisation of schools“ will notice that the scope of the intended transformation of educational institutions into standardised learning factories through digital technology and automated schooling through systems of so-called „artificial intelligence“ (Big Data & Co.) is only realised by a few. Many participants (want to) believe that it is only a matter of improving the technical equipment of schools to support teachers. They do not realize that the digital infrastructure will establish control and steering systems that endanger human autonomy and self-determination just as much as the teacher-pupil relationship and ultimately democratic or humane structures. Digitalization is not only the synonym for control, but counter-enlightment via app and web. This article shows what alternatives can look like.

Zur Person

Ralf Lankau ist Grafiker, Philologe und promovierter Kunstpädagoge. Er unterrichtet seit mehr als 30 Jahren Gestaltungstechniken mit analogen und digitalen Techniken, seit 2002 als Professor für Mediengestaltung und Medientheorie an der Hochschule Offenburg. Er forscht und publiziert zu Medien- und Kommunikationswissenschaft und (Medien-) Pädagogik. Er ist Mitgründer und Sprecher des Bündnisses für humane Bildung (aufwach-s-en.de). Sein wissenschaftliches Projekt ist „futur iii: Digitaltechnik zwischen Freiheitsversprechen und Totalüberwachung“ (futur-iii.de).